Martin Schmitz

1921 in Traben-Trarbach geboren

Gymnasiast bis 1936

Kaufmännische Lehre in Aurich

Textilverkäufer in Köln 1938

Überlebt KZ Auschwitz

Verwaltungslehre in Traben-Trarbach

Heiratet Carola Cäsar 1951

Arbeitet in der Kreisverwaltung Bernkastel-Kues

Stirbt 2014

Martin Schmitz wurde am 30. Dezember 1921 als Sohn des angesehenen Textilkaufmanns und Manufakturwarenverkäufers Bernhard Schmitz und dessen Ehefrau Selma in Traben-Trarbach geboren. Er erlebte eine schöne Kindheit in seiner Heimatstadt. Seine Familie war angesehen.
Der Vater, ein stolzer Mann, wurde im Ersten Weltkrieg verwundet und war ein angesehener Bürger der Stadt. Er gründete unter anderem den Fußballclub Trarbach. Der einzige Sohn Martin erlebte eine unbeschwerte Kindheit: "Mit meinen Schulkameraden habe ich alle Frechheiten, die man so anstellt, mitgemacht. Wir sind durch die Gassen gerannt und haben an der Mosel Fußball gespielt." Es hätte alles so gut sein können. Doch dann kamen die Nazis. Das Unheil kündigte sich schon vor deren Machtergreifung an. "In der Volksschule habe ich erstmals gemerkt, dass ich anders war", erzählt Martin Schmitz. Er nahm am evangelischen Religionsunterricht teil, wurde aber vom Lehrer gepiesackt, weil er auf manche Fragen keine Antwort wusste. Später, auf dem Gymnasium, inzwischen hatten sich die Nazis auch in der Stadt breit gemacht, bekam der Junge erstmals den Judenhass zu spüren. Ein neuer Lehrer namens Pfeifer, der in SA-Uniform und gewichsten Stiefeln vor die Klasse trat, knöpfte sich jeden Morgen den Schüler vor, beschimpfte ihn als "Drecksjude" und verprügelte ihn. Einige Schulkameraden setzten sich von ihm ab, weil deren Eltern es so wollten. Als Martin eines Tages mit blutverschmiertem Gesicht nach Hause kam, nahm ihn sein Vater von der Schule.“
„Während Onkel Max und Tante Leni Mitte der 30er-Jahre über eine Flucht nachdachten und später nach Königshütte (Polen) gingen, blieben Bernhard und Selma Schmitz in Trarbach. "Mein Vater wollte nie weg. Er sagte immer, ich bin Deutscher', und der Hitler wird auch bald wieder verschwinden", erinnert sich Martin Schmitz.“
„Martin Schmitz wurde zu seinem Onkel nach Prag geschickt, später nach Aurich, wo er eine kaufmännische Lehre begann. Seine Eltern mussten 1937 ihr Geschäft in Traben-Trarbach aufgeben und gingen nach Köln. Sohn Martin folgte später dorthin und leitete mit seinem Vater die Textilfirma eines holländischen Juden. Am 9. November 1938 brannten überall in Deutschland, auch in Köln, die Synagogen - das Textilgeschäft wurde von Nazihorden verwüstet.“
„Er schildert, was an diesem Abend geschah: Schon von Weitem hört der gebürtige Traben-Trarbacher die SA-Männer grölen. Steine werden geworfen. Die Synagoge steht lichterloh in Flammen. Was nicht verbrennt, wird demoliert. "Da habe ich es mit der Angst bekommen", erinnerte sich 2013 der damals 92-Jährige, der heute in Bernkastel-Kues wohnt.
Das Textilgeschäft, das der gerade mal 17-Jährige leitet, haben die Braunhemden verwüstet. Die Scheiben waren eingeschlagen, die Waren lagen auf der ganzen Straße verteilt herum.´ Sechs der acht Filialen ereilt das gleiche Schicksal. `Der Schaden ging in die Hunderttausende.´ Martin Schmitz wagt es nicht, zur Arbeit zu gehen – und läuft prompt einem SA-Mann in die Arme. `Aber er sagte mir, dass ich keine Angst zu haben brauche. Er hat uns sogar getröstet.´ Zu Hause tagt am Abend der Familienrat. Die Mutter ist am Boden zerstört. `Sie hat bitterlich geweint.´ Selma Schmitz will weg aus Deutschland. Doch der Vater bleibt hart. Flucht ist für ihn ausgeschlossen. Schmitz erinnert sich noch gut an seine Worte. `Noch ein paar Monate, und der Spuk ist vorbei´ – eine fatale Fehleinschätzung, die ihn das Leben kosten wird.
Martin Schmitz wird nun vom niederländischen Besitzer damit beauftragt, das Geschäft zu verkaufen. Zwei Tage vor Weihnachten ist alles abgewickelt. `Ich habe bei Weitem nicht den Preis erzielt, den das Unternehmen wert war.´ Der neue Besitzer will ihn nicht übernehmen – weil er Jude ist. Der 17-Jährige steht auf der Straße. Immerhin erhält er 5000 Mark Abfindung. `Das war viel Geld.´“
„Martin Schmitz und sein Vater mussten dann bei der Bahn Gleise verlegen - bis 1941. An einem Septembertag musste die Familie, wie Tausende anderer Juden, einen Zug Richtung Osten besteigen. Drei Tage dauerte die Fahrt, sie endete in Auschwitz. SS-Schergen trieben die Männer, Frauen und Kinder aus den Waggons. An der Rampe standen Uniformierte und ein Mann mit weißem Kittel - `Lagerarzt´ Josef Mengele. Er schickte die völlig verängstigen Menschen mit einer Daumenbewegung auf die rechte oder linke Seite. Nach links die Eltern, nach rechts den Sohn - links hieß Tod, rechts hieß (noch) leben. In diesen Minuten sah Martin Schmitz seinen Vater und seine Mutter zum letzten Mal, sie wurden mit Schlagstöcken auf einen LKW getrieben und weggefahren - in die Gaskammer, wie er später erfuhr. Martin Schmitz erlebte Grauenhaftes im Lager. Er sah, wie Menschen zusammengeschlagen, vor den anderen gehenkt wurden oder einfach verschwanden. Er überlebte, weil er stark war und als Schlosser in verschiedenen Arbeitsaußenlagern von Auschwitz `gut zu gebrauchen´ war. Auch er wurde mehrmals zusammengeschlagen, doch er vermied es zu jammern. Wer jammerte, wurde erst recht verprügelt, manchmal bis zum Tod. Später kam er in das Lager Dora im Harz, dann nach Bergen-Belsen. Martin Schmitz verlor nicht nur seine Eltern, auch Tante Leni und Onkel Max wurden umgebracht. Wo und wann, das konnte bis heute nicht geklärt werden.“
„Im Januar 1945, als die Engländer das KZ Bergen-Belsen befreiten, lag er völlig abgemagert, keine 30 Kilo mehr schwer und dem Tode nahe, zwischen Dutzenden von Leichen.“
„1945 kam er wieder nach Traben-Trarbach, heiratete noch im selben Jahr und begann bei der Stadtverwaltung eine Verwaltungslehre. 1951 wechselte er zur Kreisverwaltung Bernkastel-Kues. Martin Schmitz lebt seit 1951 mit seiner Frau Carola in Bernkastel-Kues. Das Ehepaar Schmitz hatte drei Kinder. 2006 feierten sie im Hotel Bellevue in Traben-Trarbach Diamantene Hochzeit.“
„Seit einigen Jahren erzählt er über seine Geschichte und seine Erlebnisse während des Holocaust. Er ist regelmäßig in Schulen und Gedenkstätten in Wittlich, Idar-Oberstein und Birkenfeld zu Gast.“
`Ich empfinde dennoch keinen Hass´, sagt er. `Mir ist es aber wichtig, dass man das, was man erlebt hat, auch erzählt.´ Martin Schmitz ist einer der letzten Zeitzeugen, die das noch können.“

Martin Schmitz starb am 28. Februar 2014.