Gertrud Schloss

geboren 1899 in Trier

ermordet 1942 im KZ Chelmno

jüdischen Glaubens

Schriftstellerin, Feministin, Sozialdemokratin, Europäerin

KZ Chelmno

100 Reichsmark, 50 kg Gepäck in einem Koffer, ein Kopfkissenbezug, ein Bettuch, eine Daunendecke, eine Wolldecke und Vorräte für 4 bis 5 Tage. Das ist das ganze Gepäck, das jeder der 334 jüdischen Männer, Frauen und Kinder mitnehmen darf, die in der Nacht vom 16. auf den 17.Oktober 1941 Luxemburg auf Anordnung der NS-Sicherheitspolizei verlassen müssen. Kurz vor l Uhr setzt sich der Zug vom Güterbahnhof V aus in Bewegung. Die Reise dauert 60 Stunden. Zielort: Das Ghetto in Lodz („Litzmannstadt") im besetzten Polen. Zwischenstation macht der Transport im Trierer Bahnhof, wo auch 93 Juden aus Trier auf ihren Abtransport warten.

Dort sieht Gertrud Schloss zum letzten Mal ihre Heimatstadt.

Gertrud Schloss wird am 18. Januar 1899 in Trier geboren. Sie entstammt einer alteingesessenen jüdischen Fabrikantenfamilie, die in der Saarstraße 31 Herren- und Knabenkonfektionsware herstellt. Sie studiert Philosophie in Heidelberg und promoviert über. „Der Staat in der bolschewistischen Theorie und Praxis". 1923 kehrt sie nach Trier zurück und engagiert sich in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit". Ihr erster Artikel für die „Volkswacht" erscheint 1924 - ein Plädoyer für ein vereintes Europa von Spanien bis zum Ural. Sie veröffentlicht regelmäßig politische Leitartikel sowie Theater- und Konzertrezensionen, hält Vorträge vor der SPD-Frauenorganisation und wird deren zweite Vorsitzende. 1926 wird sie zur Vorsitzenden der Theatergemeinde „Freie Volksbühne" gewählt und bereitet auch die Gründung einer „Volksbühne" in Luxemburg mit vor. Sie veröffentlicht einen Gedichtband („Begegnungen"), der auch Liebeslyrik enthält, die an Frauen gerichtet ist. Daneben betätigt sie sich als Mundartdichterin bei geselligen Zusammenkünften der SPD-Frauen. Sie verfasst ein Theaterstück - „Ahasver" -, das „die Gestalt des ewig heimatlos wandernden Juden in eine unmittelbare Beziehung zum aufkommenden Nationalsozialismus stellt" (Eberhard Klopp). „Ahasver" wird 1928 am Trierer Stadttheater aufgeführt und vom Publikum begeistert aufgenommen; leider ist das Textbuch verloren gegangen. In der „Volkswacht" erscheinen 1931/32 ihre satirische Spottgedichte auf die Nazis.

Die Machtübernahme der Nazis macht ihr ein Leben in ihrer Heimatstadt unmöglich. ,,Als Jüdin, Lesbe, Sozialdemokratin, Feministin, Europäerin und Intellektuelle entspricht sie mehrfach den Feindbildern der neuen Machthaber" (Joachim Leser).Am 20. März verlässt sie Trier und zieht nach Frankfurt/Main, wo sie unter dem Namen Mary Eck-Troll bis 1939 lebt. Dann wird ihr Ausreiseantrag nach Luxemburg genehmigt. Sie zieht in das kleine Dorf Walferdingen. Aber auch dort ist sie nur für kurze Zeit sicher: Im Mai 1940 erlebt sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder den Einmarsch der deutschen Wehrmacht. Mit ihrem Bruder zusammen wird sie über ein Jahr später nach Lodz deportiert. Vermutlich zwischen Januar und Mai 1942 wird sie im KZ Chelmno („Kulmhof") - wahrscheinlich in einem Gaswagen - ermordet.

1985 veröffentlichte die„edition treves" ihren Gedichtband „Begegnungen". 1990 benannte die Stadt Trier eine Straße in Feyen nach ihr. 2002 erinnerte die Autorin und Regisseurin Jutta Schubert mit ihrem Theaterstück „Des Teufels Komödiant" am Theater Trier in der Reihe „Trierer Persönlichkeiten" an Gertrud Schloss. In Frankfurt plant eine Bürgerinitiative die Verlegung eines „Stolpersteins" mit ihrem Namen an ihrer letzten Wohnadresse - Sternstraße 13.

Quelle: Stattführer. Trier im Nationalsozialismus, 3. Auflage, Trier 2005, S. 149-150
Trierer biographisches Lexikon