Josef Reuland

 

geboren am 26.4.1892

gestorben am 19.12.1958

Pastor von Greimerath

wegen "Verbreitung staatsfeindlicher Schriften" verhaftet

Verurteilung durch den Volksgerichtshof

Zuchthaus Werl, Münster, Essen und Bochum

In den Gottesdiensten selbst sprach der Pfarrer nicht gegen die Partei. So vermied er Schwierigkeiten mit ihr, jedoch sicher in der Gewissheit, dass er durch seine praktische Arbeit dem Nationalsozialismus den Nährboden im Dorf entzog. Um dieses Ziel zu erreichen, musste sich Reuland natürlich mit der Ideologie des Nationalsozialismus auseinandersetzen. So traf er sich im November 1941 in Trier mit dem Theologiestudenten Josef Keilen, geboren in Müllendorf, Bezirk Esch-Alzig (Luxemburg), um über die Ziele der Partei zu diskutieren. Dabei berichtete er diesem von dem Programm der Nationalen Reichskirche3, das die Beseitigung der bestehenden Religionen vorsah und die neue Deutsche Nationalkirche unter Leitung der Partei anstrebte. Der Student schrieb sich die 30 Punkte dieses von der Partei selbst veröffentlichten Programms, das Reuland bei sich trug, ab und gab sie einem Kommilitonen, Josef Hansen, dessen Schwester für kurze Zeit in Greimerath als zwangsverpflichtete Lehrerin tätig war. Hansen wiederum leitete das Abgeschriebene an einen luxemburgischen Priester, bei dem es später von der Gestapo gefunden wurde.

Reuland bringt die 30 Punkte der Nationalen Reichskirche in seinem Manuskript. Auszugsweise seien angeführt: Die Nationale Reichskirche Deutschlands beansprucht mit aller Deutlichkeit das alleinige Recht und die alleinige Macht über alle innerhalb der deutschen Reichsgrenzen befindlichen Kirchen. Sie erklärt diese zu nationalen Reichskirchen Deutschlands.

Das deutsche Volk hat nicht der Nationalen Reichskirche zu dienen, sondern die Nationale Reichskirche dient ausschließlich und allein der Doktrin: Rasse und Volk Die Nationale Reichskirche erklärt als ihr und somit des deutschen Volkes größtes Dokument das Buch des Führers: Mein Kampf...

Die Nationale Reichskirche räumt von ihren Altären das Kruzifix, die Bibel und sämtliche Heiligenbilder.

In Greimerath kam die NSDAP nicht hoch; es musste dort ein geheimes Widerstandszentrum sein - so ähnlich drückte sich Kreisleiter Eibes aus. Mit diesen Worten zitierte in der Pfarrchronik Pfarrer Reuland den Saarburger Kreisleiter der NSDAP.

Dass die Mächtigen der Partei in Saarburg und Trier in der Person des Pfarrers ihren Gegner sahen, lag auf der Hand. Am 2. Februar 1942 stürzten zwei Gestapomänner in das Pfarrhaus und durchsuchten es. Ihre Suche galt den Programmpunkten der Nationalen Reichskirche Deutschlands, den Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen und anderen Schriften. Obwohl keine gefunden wurden, erfolgte die Verhaftung des Pfarrers wegen Verbreitung staatsfeindlicher Schriften. Aber die Verhaftung konnte nur ausgesprochen, nicht realisiert werden. Vor dem Pfarrhaus hatten sich mittlerweile die Pfarrangehörigen, vom Glockengeläut und von Mund zu Mund herbeigerufen, versammelt und protestierten lautstark gegen die Maßnahme. Beschimpfungen gegen die Partei und harte Worte gegen den Krieg fielen. Reuland wurde in den Wagen gebracht, aber das Fahrzeug kam nur wenige Meter weit. Immer wieder stellten sich ihm Menschen in den Weg, andere hielten es fest. Schneebälle flogen gegen die Scheiben. Schließlich ließen die Beamten den Verhafteten aus dem Wagen und führen ohne ihn ab, nicht aber, ohne ihm Konsequenzen wegen der Vorkommnisse anzukündigen, Es folgten Anklagen wegen Geldhortung (850 RM waren im Pfarrhaus gefunden worden), wegen Hortung kriegswirtschaftlichen Materials (10 Päckchen Weihnachtskerzen), wegen Verstoßes gegen die Kriegsverordnung (Briefe Greimerather Soldaten lagen auf dem Schreibtisch), wegen Abhören von Auslandssendern.

Da sich der Pfarrer während eines Verhörs in Trier vehement gegen diese Vorwürfe wehrte, wurden sie letztlich fallengelassen.

Wenige Tage nach der Bischofsvisitation durch Weihbischof Metzroth wurde am 23. Juni 1942 Pfarrer Reuland wieder verhaftet. Unter dem Vorwand, ihn befragen zu wollen, erschienen zwei Gestapoleute und brachten ihn, ohne dass die Bevölkerung es wahrnahm, ins Untersuchungsgefängnis nach Trier. Dort erklärte ihm am folgenden Tag ein Untersuchungsrichter, dass der Oberreichsanwalt ihn wegen Hochverrats, Verbreitung staats-feindlicher Schriften, Zersetzung des Volkes usw. angeklagt habe. Reuland blieb wegen Fluchtgefahr inhaftiert und wurde am 9. November nach Berlin-Moabit überfuhrt. Seine Verhandlung vor dem l. Senat des Volksgerichtshofes fand am 23. November unter dem Vor-sitzenden Freisler statt. Reuland war anfangs zuversichtlich, einen Freispruch zu erreichen; im Verlaufe des Prozesses wurde ihm jedoch klar, dass Freisler ihn auf jeden Fall bestrafen wollte.

In der Urteilsbegründung hieß es: Die Angeklagten Reuland und Keilen haben unwahre ketzerische Behauptungen über Religionsfeindschaft des Nationalsozialismus verbreitet, dadurch Zwietracht im kämpfenden deutschen Volk gesät und so den Feind des Reichs begünstigt. Weil ihre Tat dem Reich keinen großen Nachteil zufügen konnte, werden sie lediglich mit 7 Jahren Zuchthaus bestraft. Freisler habe hinzufügt, so der Pfarrer: Der Angeklagte Reuland hat ja keinen großen Schaden angerichtet; aber wir wollten ein für andere abschreckendes Urteil fällen.

Gefesselt wurde der Verurteilte am 8. Dezember ins Zuchthaus nach Werl/Westfalen überführt. Es begann für ihn eine schreckliche Leidenszeit.

Sein Priestergewand musste er ebenso wie sein Brevier abgeben; von den Wärtern wurde er schikaniert und wiederholt daraufhingewiesen, dass er das Zuchthaus lebend nicht mehr verlassen werde. Bei allem Leid erführ der Verurteilte jedoch auch, dass nicht wenige Mithäftlinge Trost und Hilfe bei ihm suchten.

Am 4. November 1944 verlegte man Reuland nach Münster/ Westfalen und nahm ihn als Hochverräter in Einzelhaft. Später berichtete Reuland, dass ihn diese unmenschliche Strafe nur wenig beeindruckte: Hier in der Stille der Zelle lernte ich den vertrauten Umgang mit Gott; und so kam ein tiefer Friede hinein in die Seele, etwas von dem Frieden, von dem der Heiland spricht. Mittlerweile näherte sich die Kriegsfront und neue Geschehnisse quälten die Gefangenen: Am 5. Oktober 1944 flogen amerikanische Flugzeuge einen großen Angriff gegen Münster, das Gefängnis wurde getroffen und Pfarrer Reuland verbrannte fast in seiner Zelle, die, wie immer bei Fliegerangriffen, verschlossen worden war.

Da das Gefängnis nicht mehr sicher war, erfolgte die Verlegung nach Bochum, wenige Tage später nach Essen, Hier wurde der Pfarrer erst bei der Firma Krupp, dann in der Stadt selbst unter schlimmsten Bedingungen beim Ausgraben und Entschärfen von Bomben-Blindgängern eingesetzt. Fliegerbomben zerstörten am 12. Dezember das Essener Gefängnis, über 350 Menschen fanden den Tod, etwa 50 Gefangene überlebten, unter ihnen auch Pfarrer Reuland.Er wurde ins Zentralgefängnis nach Bochum gebracht. Hier erlebte er nochmals eine Steigerung der grausamen Misshandlungen. In diese Zeit fiel der Tag seines silbernen Priesterjubiläums. Als angemessenes Gebet für diesen Tag wählte er sich die Worte des Introitus: Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollte ich fürchten. Du verlässest keinen, der dich sucht.

Zum frommen Gedenken an den hochwürdigen Herrn Josef Reuland Pfarrer In Sinz der am 19. Februar 1958 von seinem schweren, in Geduld ertragenen Leiden, versehen mit dem Sakrament der heiligen Ölung, im Alter von 66 Jahren, erlöst wurde.

Er war geboren am 26. 4. 1892 in Kreuzweiler als ältester Sohn einer frommen, kinderreichen Lehrersfamilie, besuchte als Konviktorist das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier von 1902 bis 1911. Zu Ostern 1911 trat er in das Bischöfliche Priesterseminar in Trier ein. Sein Studium wurde durch Militärdienst unterbrochen. Am 20.3. 1920 empfing er im Hohen Dom zu Trier durch den hochseligen Bischof Michael Felix Korum die heilige Priesterweihe.

Er wirkte als Kaplan in Spießen (1920-24) und in Simmern (1924-27). Er war Pfarrer in Bundenbach von 1927-1931, in Greimerath von 1931-1954, in Sinz von 1954 bis zu seinem Tode.

Am 27. März 1945 musste das Gefängnis geräumt werden. Nach wenigen Kilometern erzwang ein amerikanischer Flugzeugangriff den Rückmarsch.

Als zwei Tage später die Gefangenen zu Fuß in ein anderes Gefängnis geführt werden sollten, war Reuland krank, ein Arzt hatte ihm Bettruhe verordnet. Aber er musste mit. Er konnte das Marschtempo nicht halten, zwei Wachtmeister misshandelten ihn deshalb brutal und schleiften ihn mit. Als der Abstand zu den anderen größer wurde, sagte sein Abteilungswachtmeister: Das ist einer von den schwarzen Brüdern; ich kenne ihn; der muss fort; ich befördere ihn zu Petrus. Gehen Sie und melden: auf der Flucht erschossen. Dann schleppte er sein Opfer in eine Nebenstraße und gab ihm aus seiner Dienstpistole einen Genickschuss. Reuland fiel nach vorn und verlor für einige Zeit das Bewusstsein. Dann gelang es ihm, sich in Richtung einer nahen Kirche zu schleppen, ein Junge entdeckte ihn und brachte ihn in das Pfarrhaus. Er empfing die Sterbesakramente und wurde anschließend von einer angeforderten Polizeistreife zurück ins Gefängnis gebracht. Halbseitig gelähmt, mit notdürftig versorgten schmerzenden Wunden lag er fast 4 Wochen im Gefängnislazarett, zudem in der steten Sorge, der Wachtmeister, der weiter seinen Dienst tat, werde ihn umbringen. Am 8. April zogen die Amerikaner in Bochum ein.

Die Befreier schienen für den Todkranken zu spät zu kommen. Aber es trat ein, was Reulands Schwester ihm in einem Brief geschrieben hatte: Einmal kommt doch die Erlösung, durch Nacht zum Licht. 17 Tage später wurde Reuland ins St. Josef-Hospital, Bochum, eingeliefert, wo er sich allmählich erholte. Am 4. Juni konnte er die seit langem ersehnte erste hl. Messe lesen. Am 6. Juni erfolgte offiziell die Entlassung aus der Strafhaft durch die britische Militärregierung. Am 18. Juni fand Pater Bück, der während den Jahren der Abwesenheit als Pfarrverwalter in Greimerath tätig war, den Genesenden im Hospital und brachte ihn mit einem Wagen, den die Militärverwaltung zur Verfügung gestellt hatte, nach Greimerath zurück. Dort erwarteten ihn am folgenden Tag alle Pfarrangehörigen, die während seiner Haft an jedem Abend gemeinsam in der Kirche für ihn gebetet hatten, und begleiteten ihn zu einem Dankamt.

Von der schweren Leidenszeit gezeichnet, oft unter Angstzuständen leidend, wirkte Reuland bis zum 12. Dezember 1954 in Greimerath, anschließend wurde er Pfarrer in der kleineren Pfarrei Sinz. Dort starb er am 10. Februar 1958 und wurde seinem Wunsch entsprechend in Greimerath neben seinen Eltern beigesetzt.

Pfarrer Reuland strebte keine Bestrafung des Wachtmeisters an, dennoch kam es zur Anzeige und zur Gerichtsverhandlung, in der der Pfarrer als Zeuge und Opfer auftrat. Der Angeklagte gab zu Protokoll, dass Reuland während des Marsches öfter von ihm ermahnt worden sei, schneller zu gehen. Schließlich sei jener plötzlich geflüchtet. Er habe ihm nur noch nachlaufen und einen Schuss in seine Richtung abgeben können. Dann sei er, da er den Entflohenen nicht mehr gesehen und die Marschkolonne nicht mehr erreicht habe, in seine Wohnung zurück gekehrt. Am nächsten Morgen habe er erfahren, dass Reuland mit einer Schussverletzung ins Gefängnislazarett eingeliefert worden sei.

Jedoch wurde diese Aussage als unwahr entlarvt, denn eine kriminalpolizeiliche Untersuchung ergab anhand der Spuren an Reulands Jacke, dass der Genickschuss, der sich als glatter Halsdurchschuss herausstellte, aus unmittelbarer Nähe (höchstens 40 cm) abgegeben worden war. Die Kugel hatte, so ergab die Auswertung einer Röntgenaufnahme, den Querfortsatz des siebten Halswirbels und eine Bandscheibe durchschlagen.

Der Täter, der weiter als Gefängniswärter arbeitete, erhielt am 18. Mai 1949 von dem großen Schwurgericht in Bochum eine sechsjährige Gefängnisstrafe wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bei der Urteilsverkündung musste Reuland nochmals um sein Leben fürchten und das Gericht durch eine Nebentür verlassen, weil ein Verwandter des Verurteilten ihm Rache androhte.

Quelle:  Leineweber, Josef: Pfarrer Josef Reuland. Gegner und Opfer 
des Nationalsozialismus, in: 
Hochwälder Geschichtsblätter 12/01, S. 93-98
Maurus Münch: Unter 2579 Priestern in Dachau, Trier 1970