Feodore Kahn, geb. Joseph

geboren 1909 in Trier

jüdischen Glaubens

Gymnasiallehrein 

1938 Flucht nach London

Feodore(links), Hilde und Ruth Joseph

»In unserer Schule in Trier begegneten mir schon als Kind Vorurteile. Es gab Klassenkameraden, die konnten deutsche Knie von jüdischen Knien unterscheiden. Einige von ihnen sagten, und dieses habe ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen: „Hier seht mal, so sehen jüdische Knie aus. Die hat typische jüdische Knie!" Da war ich noch ein Kind. Aber sagen Sie mir mal, was sind jüdische Knie? Das war der Antisemitismus in der Schule. Allerdings gab uns die Augusta-Victoria-Schule selbst keinen Anlass zu Kränkung, weder Leitung, Lehrer oder andere Mitschüler. Am Verfassungstag 1928 verlieh man mir, der jüdischen Schülerin, vom „Preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung" ein Buch, „auf Grund des Konferenzbeschlusses des Lehrerkollegiums." Auch wurde ich mit einer Mitschülerin zum „Deutschen Frauentag" nach Köln geschickt. Später, nach 1933, wurde man auf der Straße geschnitten. Leute, die uns kannten, Bekannte, mit denen man noch kurz vorher zusammen war, von denen man dachte, mit ihnen ist man befreundet, drehten sich demonstrativ weg. Sie zeigten ihre Ablehnung öffentlich oder sie wollten mich nicht mehr kennen.

Später bin ich dann von Trier nach Köln. In Köln habe ich studiert Anglistik und Romanistik. Ich konnte noch das Staatsexamen an der Universität Köln ablegen. Das war 1934, doch die praktische Ausbildung ging nicht mehr. Das war für Juden schon nicht mehr erlaubt. Es gab neue Gesetze. Gesetze zur Neuregelung des Berufsbeamtentums. Als Jüdin konnte man nicht Beamtin werden. Die neuen Gesetze regelten ausdrücklich, dass nur Arier und deutsche Staatsangehörige Beamte werden konnten. Juden nicht. Es waren die bekannten Rassengesetze der Nazis. Ich habe dann meine Ausbildung an einer jüdischen Schule in Köln abgeschlossen. An der Jüdischen Oberschule, der >Jawne<. Diese Oberschule wurde von Erich Klibansky geleitet, er war der Direktor. Klibansky hatte die Zeit verstanden. Er arbeitete mit aller Kraft daran, dass möglichst viele jüdische Kinder nach England ausreisen konnten. Er suchte in England Patenfamilien. Das war nicht ganz einfach. Er legte deshalb besonders viel Wert darauf, dass die Kinder seiner Schule Englisch lernten. Das war in den Jahren 1935 und 1936. (...)

1938 verschärfte sich das Klima noch mehr. Es war schlimm. Die Verleumdungen und Demütigungen sind ja bekannt. Ich bekam eine Ausreisegenehmigung für England. In London lebte schon meine jüngere Schwester Ruth. Ruth arbeitete in London als Kindermädchen, das war die einzige Möglichkeit, Einreise und Arbeitserlaubnis in England zu bekommen. Mein Verlobter war schon in England und in einer Emigrantenorganisation tätig und half mir, Deutschland zu verlassen. Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsgenehmigung in England waren kompliziert. Man musste einen Bürgen oder sehr viel Geld beziehungsweise eine Anstellung haben, um davon leben zu können. (...) 1939, praktisch in letzter Minute, emigrierten noch meine Schwester Hilde und meine Eltern nach England. (...) (Feodore Kahn)

Quelle: Giesing, Georg: „Wir sind doch ein Leut", Briedel 2000, S. 46-50